Vorstellung der Buchpublikation Sascha Langes.

Von Melanie Schröder
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Im Eckladen der Georg-Schwarz-Straße 10 versammelt sich eine kleine Gruppe von Interessierten, um dem bisher wenig erforschten Phänomen lokaler Jugendbewegungen zur Zeit des Faschismus in Deutschland zu lauschen. Im ehemaligen Wohnhaus von Rolf Franz, Mitglied der sogenannten städtischen Meute „Reeperbahn“, stellt Sascha Lange sein aktuelles Buch „Die Leipziger Meuten. Jugendopposition im Nationalsozialismus“ vor.

Das Wissen über die Geschichte der faschistischen Machtergreifung und Gewaltherrschaft im 20. Jahrhundert ist reichhaltig und auch die einschlägigen oppositionellen Strömungen wie die „Weiße Rose“ oder die „Edelweißpiraten“ sind in manchen Zusammenhängen schon ein Thema gewesen. Doch die Geschichte der Gegenbewegungen zum Dritten Reich erschöpft sich nicht anhand dieser Beispiele. Die Neuerscheinung Langes beschreibt den Lebensalltag der Leipziger Jugend zu Beginn der 1930er Jahre und dokumentiert die Entwicklung städtischer Meuten, von denen in Leipzig etwa 20 bekannt sind.

Im alltäglichen Sprachgebrauch etablierte sich der Begriff Meute als Bezeichnung für eine Gruppe von Heranwachsenden und wurde in „Berichten der Gestapo zum ersten Mal aktenkundig. Zu Beginn der 40er Jahre benannten sich die Jugendlichen in Leipzig selbst als Meuten, die im wesentlichen als eine Art selbstorganisierte Jugendgruppe verstanden werden können“, erklärt Lange zur Wortbedeutung.
Innerhalb der geschichtswissenschaftlichen Disziplin stellen die Leipziger Meuten eine vergleichsweise unberührte Thematik dar. Für gewöhnlich verweist der Schulunterricht auf die bekannten Beispiele von Widerstandsbestrebungen während des Nationalsozialismus und nimmt selten Bezug zu lokalen Ausprägungen.

Sascha Lange, der in Leipzig zur Schule ging, beschäftigte sich während seines Geschichtsstudiums zunehmend mit dem besonderen Fall der Leipziger Meuten, die in Deutschland nicht einmalig waren, aber doch eine der größten Gruppen jugendlicher Gegenwehr zum NS-Regime darstellten. Im Rahmen seiner Studienabschlussarbeit gelang es ihm, erste Kontakte zu ehemaligen Meutenmitgliedern herzustellen, die die spärlich untersuchte Geschichte belebten, den Zugang zu unbekanntem Bildmaterial öffneten und Zeitzeugeninterviews ermöglichten.

Beim Lesen der Erinnerungsberichte wird deutlich, dass sich die Meuten nicht nur als politisch Widerständige begreifen lassen, sondern vor allem auch die Entwicklung einer Jugendsubkultur erzählen, die als Alternative zum Lebensalltag der 1930er Jahre bestand. „In der Pubertät treibt es die Jugendlichen immer aus dem elterlichen Haus, da gemeinsame Unternehmungen mit Freunden reizvoller sind. Hinzu kommt bei den Leipziger Meuten die explizite Ablehnung der Hitlerjugend, welche auch durch optische Abgrenzung und spezifische Dresscodes zum Ausdruck kam“, verdeutlicht Lange.

Anschaulich aufgearbeitet bringt Langes Publikation dem Leser das Eigenleben der oppositionellen Leipziger Jugendkultur näher und ersucht den Einzelnen „sich selber auf die Suche nach der Geschichte der Leipziger Meuten zu begeben und zu ergründen, warum es in der NS-Zeit so viele Jugendliche gegeben hat, die sich dem Regime zu widersetzen versuchten.“